25.08.2009 - Erinnern oder Vergessen? Eine Stellungnahme von Rosita Dietrich aus Flößberg
Rosita Dietrich: "Erinnern oder Vergessen?"
Als Schüler der damaligen POS Flößberg machten wir uns mehrmals auf den Weg Richtung Beucha, um am Häftlingsfriedhof inne zu halten, geschichtliches zu erfahren und ihn in Ordnung zu halten. Es gehörte sicher nicht zu unseren Lieblingstätigkeiten, auch schien der Weg dorthin zu Fuß manchmal endlos weit. Aber wir wurden vor Ort mit den Geschehnissen konfrontiert, liefen den selben Weg, wie ihn die Häftlinge gehen mussten. Das hinterlies Spuren. Später, im Rahmen der Jugendweihveranstaltungen (1974) gehörte eine Fahrt nach Buchenwald zum festen Bestandteil jedes angehenden Jugendlichen. Ich kann heute noch nicht beschreiben, welches Gefühl uns Flößberger durchfuhr, als wir auf einer Karte mit sämtlichen Außenstellen den Namen unseres Ortes lasen. Wir waren auf alle Fälle nicht stolz darauf, unseren Ortsnamen zu lesen. Aber schämen konnten wir uns auch nicht, sind wir doch erst 1960 geboren. Es gehörte zu unserer Geschichte, wir konnten den Umstehenden erklären was dort war und dass wir mit für Ordnung sorgten. Allerdings war unsere POS zur Grundschule umgewandelt und es gab nur noch 1.-4. Klassen. Schwierig als Schule die Pflege des Häftlingsfriedhofes zu unterstützen, nach der Wende wurde die Schule ganz geschlossen. Sicher, es schien als würde er immer mehr dem Verfall preisgegeben, aber bekam oder bekommt nicht die Gemeinde zur Unterhaltung dafür Gelder?
Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Bürgerforum in der Gaststätte Flößberg in den Anfangswendezeiten. Der Saal war proppevoll. Auch das Thema Häftlingsfriedhof wurde angesprochen und es gab tatsächlich den Vorschlag, den Gedenkstein aus dem Wald zu holen und ihn im Ortszentrum aufzustellen. Die Begründung dafür lag nahe, es muss eh in Ordnung gebracht werden und bis dort zum Beuchaer Wald geht doch eh keiner. Sehr genau sehe ich noch die aufgebrachten Flößberger vor mir, die mit ihrem Lachen über diesen Vorschlag doch ebenso bekundeten, dass der KZ-Opfer an der Stelle weiter gedacht werden soll, wo das Unheil stattfand. Man bekannte sich dazu und forderte auf, dies instand zu halten.
Beim Geschichtsunterricht meiner Kinder am Schiller- Gymnasium Bad Lausick war eben dieser Häftlingsfriedhof auch thematisiert worden. Es war ein gutes Gefühl, dass die Lehrer diese Vor-Ort-Unterrichtsgestaltung organisierten. Auch wurden Projekte dazu erstellt, Pfarrer Dietze gab geduldig sein Wissen weiter. So entwickelte sich eine Art Schülerbewegung. Die Jugend erforschte die Geschichte vor Ort, setzt(e) sich mit ihr auseinander – wider dem Vergessen. Letzte Arbeiten las ich erst vor Kurzem von Schülern der Gymnasien Groitzsch und Borna.
Die Aktivitäten des Geschichtsvereins Flößberg muss man wohl nicht aufführen. Wer genau die LVZ Berichte verfolgte und zu den von ihnen organisierten Veranstaltungen kam, weiß über ihre Aktivitäten und Bemühungen. Zu jeder Veranstaltung war der Saal gefüllt. Natürlich gab es auch Diskussionen bei der Präsentation der Architekturvorschläge. Aber nicht über Nutzen und Zweck dessen, dies wurde einhellig befürwortet. Bedenken gab es nur über dessen Erhaltung und deren Pflege. Man kann nicht in Worte fassen, was diese jungen Leute in ihrer Freizeit geschafft haben. Wer das Anfang Mai veröffentlichte Buch zu den Architekturvorschlägen gelesen hat, kann nur mit höchstem Respekt dieses Buch schließen. Respekt vor der Auseinandersetzung der Jugendlichen zu diesem Thema und der Hoffnung auf Realisierung.
Dann kam der Artikel in der LVZ am 27.Juli 09 und es war wie ein Schlag ins Gesicht. Nach über 60 Jahren will man die KZ-Opfer umbetten, weil die Forderungen des Gräbergesetzes nicht erfüllt werden? Bürgermeister Hiensch führt meiner Meinung nach haarsträubende Gründe an. Gräbergesetz nach über 60 Jahren; erhebliche finanzielle Aufwendungen; die Unterhaltung nach einer möglichen Sanierung – wer, Herr Bürgermeister, soll dies als wirklichen Grund glauben? Wer soll glauben, dass so ganz zufällig, just kurz vor der Realisierung des Projektes der Geschichtswerkstatt, der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge und die Landesdirektion Chemnitz sich meldet? Wo waren dessen Aktivitäten die letzten 20 Jahre? Warum war die letzten 60 Jahre kein Überlaufschutz für Schwarzwild nötig? Warum war die letzte 60 Jahre kein öffentlicher Zugang nötig?
Oder sehen sich die Herren schon samt den Bürgermeistern bei der Einweihung des neuen jüdischen Friedhofes in Borna? Mit Anzug und Kranz wird es dann jährlich ein Bild an dieser Stelle von ihnen in der LVZ geben. Soll dass dann die Jugend für ihren Geschichtsunterricht verwenden?
Ich find es einfach empörend und enttäuschend. Warum wurde das Thema bei der Sitzung des Frohburger Stadtrates nicht vertagt? Warum peitscht man dieses Thema durch? Auch frisch vereidigten Stadtabgeordneten dürfte das Thema aus Publikationen nicht entgangen sein und gerade deshalb hätten sie eine Vertagung des Themas fordern müssen. Ich bin zutiefst enttäuscht. Noch Anfang Mai lies sich Herr Hiensch mit dem Geschichtsvereinsmitglied Stefan Walter in der LVZ bei der Buchveröffentlichung abbilden. Nicht mal 3 Monate später plädiert er für die Umbettung der KZ-Opfer – aus rein ökonomischen Gründen!
Mit dem Verschwinden des Friedhofes nimmt der Stadtrat m.E. wissentlich den Verlust des letzten authentischen Überrestes des KZ-Flößberg in Kauf.
Rosita
Dietrich
Flößberg