In memoriam Stephen P. Casey
Humor zeichnete ihn aus, und ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn. Nur so waren wohl die Schrecken auszuhalten, denen Stephen P. Casey als Überlebender der Shoah ausgesetzt war. Dass mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht der 'normale' Alltag wieder einsetzt und man sein Leben weiterleben könne wie vorher, das wurde uns gerade durch den Kontakt zu Stephen bewusst, aus dem sich eine Freundschaft entwickelte.
Wir hatten viele Fragen, die er uns geduldig beantwortete. Fragen zum Lager in Flößberg, zu seiner Lebens- und Leidensgeschichte. Er gab diesem Ort ein Gesicht. Anhand von Einzelschicksalen wie dem Stephens wurde erst ein Zugang zur Geschichte des Flößberger Außenlagers möglich.
Er setzte sich stark für den Erhalt des Häftlingsfriedhofs ein, der inzwischen saniert und den dort liegenden Lageropfern eine würdevolle Ruhestätte geworden ist. Dafür sind wir ihm sehr dankbar. Doch nicht nur dafür, sondern auch, dass er uns teilhaben ließ an seinem Leben, seinem Alltag. Denn oft, wenn auch ungewollt, reduziert man doch die Überlebenden des Holocaust auf ihre Biographie zwischen Kriegsausbruch und -ende.
Direkt nach dem Fall der Mauer beschloss Stephen, der seit vielen Jahren mit seiner Familie in Australien eine neue Heimat gefunden hatte, die Orte aufzusuchen, wo er Schlimmstes durchgestanden hatte. Flößberg gehörte zu diesen Orten. Entsetzt war er, dass nichts vor Ort an die Gräuel erinnerte, dass niemand mehr etwas über diesen Ort zu wissen schien. Die damalige Gemeindeschwester war die einzige, die ihm helfen konnte und ihn zum Häftlingsfriedhof führte, der damals als solcher nicht erkennbar war. Diese kleine Geste bedeutete Stephen sehr viel, immer wieder sprach er von dieser Begegnung. Begegnungen und Gespräche – ob persönlich oder via Internetchat – sind das, was Menschen einander näherbringt.
Wir trauern um einen Freund. Am 18. Oktober 2015 ist Stephen P. Casey im Alter von 91 Jahren in Sydney verstorben.