KZ-Überlebender Manny Drukier traf Schülerinnen und Schüler der Region
Kurz bevor Manny Drukier über seine Erlebnisse spricht, kommt es zu einer berührenden Geste. Mehrere Schülerinnen und Schüler erheben sich aus ihren Sitzen, kommen auf die Bühne und überreichen Manny bunte Blumensträuße, Grußkarten und kleine Geschenke. Erst wenige Tage zuvor ist Manny Drukier 89 Jahre alt geworden. Er hat seinen Geburtstag mit seiner Familie in Krakau gefeiert, nun sitzt er auf der Bühne des Stadtkulturhauses in Borna. 150 Schülerinnen und Schüler sind gekommen, seine Lebensgeschichte zu hören. Es ist das erste Mal, dass ein Überlebender des KZ-Außenlagers Flößberg mit Jugendlichen aus der Region ins Gespräch kommt.
Nach Flößberg war Manny gemeinsam mit seinem Vater unter dramatischen Umständen Ende Februar 1945 gekommen. Erst Tage zuvor waren er und sein Vater Gavriel in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert worden. Beim abendlichen Appell wurde sein Vater für einen Häftlingstransport nach Flößberg aufgerufen. „Wir hatten zu entscheiden, ob wir getrennt werden oder aber versuchen sollten, zusammenzubleiben“, so berichtet Manny Drukier. Sie entschieden zusammenzubleiben. Das gelang nur, weil Manny seine Identität mit dem eines Mithäftlings in Buchenwald tauschen konnte, der ebenfalls für den Transport nach Flößberg vorgesehen war.
Manny Drukier ist im Februar 1945 sechzehn Jahre alt. In Lodz in eine orthodoxe Mittelstandsfamilie geboren, musste er schon mit elf Jahren kurz nach dem deutschen Überfall auf Polen die Schule verlassen. Im Juni 1940 wurden er und seine Familie in das Ghetto Staszów gesperrt. Seit 1942 hatte Moniek Drukier (so sein ursprünglicher Name) in Kielce und Tschenstochau für den Leipziger Rüstungskonzern HASAG Zwangsarbeit zu leisten. Die HASAG war es auch, die seit Ende 1944 in Flößberg das neuerrichtete Arbeitslager betrieb.
Zu Flößberg haben die Jugendlichen im Saal des Stadtkulturhauses Borna die meisten Fragen. Aber auch, wie er nach dem Krieg weiterleben konnte, möchte eine Schülerin wissen. Wie er über die Deutschen heute denke, was er sich für die Zukunft wünscht. Die Jugendlichen kommen von Schulen aus Borna, Geithain und Kitzscher, auch aus Bad Lausick und Grimma sind Jugendliche dabei. Sie sind gut vorbereitet und mit spürbarem Interesse gekommen.
Manny Drukier hat aus Toronto, wo er seit den 1950er-Jahren wohnt, seine Familie mitgebracht. Seine Frau Freda sitzt in der ersten Reihe des Saals, seine Kinder Gordon, Laurie, Wendy und Cindy, auch Schwiegersohn Jan sowie seine Enkel Leah und Brett begleiten ihn. Er mache die Reise vor allem für seine Familie, so erzählt Manny. Er selbst kenne ja die Orte. Flößberg hat er an diesem Oktobertag bereits kurz am Vormittag besucht. Es ist das erste Mal seit 72 Jahren. In Flößberg gibt es fast nichts mehr vom ehemaligen Lager zu sehen. Auf einer historischen Fotoaufnahme deutet Manny auf die Baracke, in der er untergebracht war. Dann zeigt er auf den ungefähren Ort auf dem leeren Feld vor ihm, wo die Baracke gestanden haben müsste. Sprengköpfe hat er tagsüber im angrenzenden Waldstück montiert, wie sich herausstellt, für Flakgeschütze auf U-Booten und deutschen Kriegsschiffen. Mitte April 1945 war er dann von Flößberg mit den übrigen verbliebenen circa 1100 Häftlingen in einen der bereitstehenden Bahnwaggons getrieben worden. Diesmal war er getrennt vom Vater in einen anderen Waggon gestiegen. Auf dem Transport starb Gavriel Drukier, Mannys Vater. Manny konnte hingegen vom fahrenden Zug fliehen: „Mit dem Kopf voraus bei voller Fahrt“, wie er beiläufig erwähnt.
Nach der Veranstaltung im Stadtkulturhaus Borna gibt es noch lange angeregte Gespräche zwischen einigen Schülern und Mannys Kindern und Enkeln. Der Tag ist noch lange nicht zu Ende. Ein Empfang wartet im Hotel Drei Rosen in Borna. Am Nachmittag geht es dann noch einmal nach Flößberg zurück.
Danksagung
Die Geschichtswerkstatt Flößberg bedankt sich
bei der Stiftung EVZ, die erst die Begegnung zwischen Manny Drukier und
Schülerinnen und Schülern in Borna möglich gemacht hat. Weiterhin
gilt unser Dank Frau Petra Köpping, Staatsministerin für
Gleichstellung und Integration, dem Landratsamt Borna, Frau
Oberbürgermeisterin Simone Lüdke (Borna), der Stadtverwaltung
Frohburg, den Oberschulen Kitzscher, Bad Lausick und Borna, den
Gymnasien Borna, Geithain und Großbardau, dem Förderverein
Gedenkstätte Flößberg e.V. sowie den zahlreichen Spendern, die den
Bustransfer der teilnehmenden Schulen nach Borna ermöglicht
haben:
Marco Böhme (MdL, DIE LINKE), Georg-Ludwig von Breitenbuch
(MdL,
CDU), Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Sabine Friedel
(MdL, SPD), Helena Henzel, Henning Homann (MdL, SPD), Réné Jalaß
(MdL, DIE LINKE), Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa) Borna, Dr.
Claudia Maicher (MdL, Bündnis 90/Die Grünen), Volkmar Zschocke
(MdL, Bündnis 90/Die Grünen)